Interview mit Svetlana

Liebe Tierfreunde,

wie ihr bereits mitbekommen habt, war Svetlana kürzlich zu Gast im staatlichen Radio Russlands und hat über das Thema Straßentiere in Russland gesprochen. Leider wurde die Sendung auf Russisch ausgestrahlt. Dennoch möchte ich das Interview gerne übersetzen, damit ihr euch eine persönliche Vorstellung von Svetlana machen könnt. Insgesamt wurden drei Tierschützer zur Sendung eingeladen, die insgesamt 35 Minuten dauerte. Ich werde jedoch lediglich die Antworten von Svetlana übersetzen und hoffe, dass sich zumindest ein Teil der russischen Gesellschaft durch diese Informationen sensibilisiert.

Interviewer: Svetlana Nikolaevna, es ist schon eine Weile her, seit ich euer Tierheim besucht habe. Doch Tierschutzaktivisten in unserer Umgebung haben mir berichtet, dass ihr mit Unterstützung europäischer Spender ein wahres Paradies für Katzen und Hunde geschaffen habt.

Svetlana: Als erstes möchte ich klarstellen, dass es unmöglich ist, ein Paradies zu erschaffen, wenn man von Tierleid umgeben ist.

Interviewer: Gibt es also kein Paradies?

Svetlana: Das hat überhaupt nichts mit einem Paradies zu tun. Jeden Tag stehen Boxen vor unserer Tür, gefüllt mit ungewollten Welpen, Kätzchen und angebundenen Hunden. Letztes Mal wurden 19 Welpen über den Zaun geworfen, zwei von ihnen starben sofort. Die Anzahl der hilfsbedürftigen Welpen übersteigt bei Weitem unsere Kapazität.

Interviewer: Wie viele Tiere betreuen Sie derzeit?

Svetlana: Derzeit sind es über 300 Tiere, besonders während der Sommerzeit.

Interviewer: Übersteigt diese Anzahl Ihre Möglichkeiten?

Svetlana: Das tut es schon seit geraumer Zeit. Es kommt der Punkt, an dem wir "Nein" sagen müssen.

Interviewer: Denken Sie nicht, dass Sie bereits viel erreicht haben mit der Hilfe europäischer Unterstützer?

Svetlana: In Anbetracht der überwältigenden Anzahl an Tieren kann man das kaum behaupten.

Interviewer: Sie haben Kontakte zu Tierfreunden in Deutschland aufgebaut?

Svetlana: Ja, Tierfreunde aus Deutschland unterstützen mich. Sie sind keine Millionäre, wie die meisten Russen denken, sondern normale Menschen aus der Mittelschicht, die einfach Mitgefühl für Tiere haben.

Interviewer: Nehmen die Europäer auch Tiere aus Ihrem Tierheim auf?

Svetlana: Ja, das tun sie. Vor allem Tiere, denen sie Leid zufühlen.

Interviewer: Nicht nur die schönsten Tiere, die Sie haben?

Svetlana: Ganz und gar nicht, oft sogar behinderte Tiere.

Interviewer: Und wie kamen Sie überhaupt mit den Deutschen in Kontakt?

Svetlana: Ich habe Daria kennengelernt, die während ihres Heimatbesuchs an meiner Spendenbox vorbeiging. In der Zeit, als meine Tiere hier bedroht wurden, baute sie ein Netzwerk europäischer Tierschützer auf.

Interviewer: Haben wir gehört, dass die Aufnahme von Tieren in Ihrem Tierheim eine Gebühr erfordert? In Moskauer Tierheimen verlangt man eine Gebühr von 5000 Rubel (66 Euro), doch dort wird das Tierheim auch staatlich finanziert. Hier sind Sie auf Spenden angewiesen?

Svetlana: Ja, wir sind ausschließlich auf ausländische Spenden angewiesen. Wir verlangen eine Gebühr von nur 1500 Rubel (20 Euro) pro aufgenommenes Tier. Bedenken Sie, dass dieses Geld für Kastration, Futter, Unterbringung und langfristige Pflege benötigt wird.

Interviewer: Und wird diese Gebühr tatsächlich eingehalten?

Svetlana: Meistens nicht, vor allem große Hunde werden einfach vor unserem Tierheim angebunden. Über die vielen Welpen, die praktisch aus fahrenden Autos geworfen werden, brauchen wir erst gar nicht zu sprechen.

Interviewer: Wahrscheinlich erwarten Sie nach dieser Sendung noch mehr Tiere?

Svetlana: Dann sollten die Menschen sich bewusst sein, dass die Tiere, die sie bald bringen werden, nicht ins Tierheim, sondern auf den Friedhof gebracht werden. Wir haben nicht genug Platz, Aufmerksamkeit oder Futter. Nur die stärksten Tiere überleben.

Interviewer: Wie viele Tierschützer schätzen Sie, gibt es bei uns?

Svetlana: Es gibt viele Menschen, denen das Schicksal der Straßentiere nicht gleichgültig ist. Doch viele von ihnen sind im Teufelskreis des Tierleids gefangen. Die Kastration wäre ein entscheidender Schritt in die richtige Richtung.

Interviewer: Dann haben wir ein Telefongespräch mit der Präsidentin der Ökologischen Abteilung der Stadt Abakan geführt. Sie sagte, die größten Konflikte mit aggressiven Hunden entstehen nicht bei Straßentieren, sondern bei Hunden mit Besitzern, die ihre Tiere nicht richtig halten. Auf die Frage, wie die Situation reguliert wird, antwortete sie:

Präsidentin der Ökologischen Abteilung: Wir haben einen Auffangdienst. Zuerst überprüfen wir, ob ein streunendes Tier jemandem gehört. Dann werden die Tiere aufgenommen, und wenn sich innerhalb einer bestimmten Zeit niemand meldet, werden sie euthanasiert.

Dann kommen wieder die Tierschützer zu Wort, die in die Sendung eingeladen sind:

Als erstes möchten wir klarstellen, dass das eine Lüge ist. In unserer Region gibt es keine Auffangstation. Die Tiere werden sofort getötet. Die Stadt hat ein Budget für vorübergehende Unterbringung der Tiere bis zur Euthanasie, doch die Tiere werden nie irgendwo gehalten, und es wird nicht auf Besitzer gewartet. Die Euthanasie erfolgt sofort auf der Straße, und es erfolgt keine Trennung zwischen Besitzertieren und Straßentieren.

Dann rief ein Mann an und fragte, wohin er seine Katze mit ihrem Nachwuchs bringen solle. Die Reporterin fragte Svetlana nach der Lösung für diesen Fall.

Svetlana: Die Lösung besteht immer darin, Ihr Tier kastrieren zu lassen, anstatt es in einer Box vor unserem Tierheim oder sogar vor Schulen abzustellen. Wir erhalten bis zu 30 solcher Anrufe pro Tag.

Interviewer: Sind Sie gegen Euthanasie?

Svetlana: Natürlich, der Krieg endete am 9. Mai, welche Rechtfertigung haben wir, weiter zu töten? Obwohl ich seit 28 Jahren in einem Krieg lebe.

Interviewer: Ich hatte kürzlich eine schlechte Erfahrung, als ich einen Ortsteil besuchte und von einer Gruppe aggressiver Hunde angegriffen wurde. Was denken Sie darüber?

Svetlana: In jeder Rudelstruktur trägt der Mensch die Verantwortung. Die Frage ist, was wir mit den Menschen tun sollten, nicht mit den aggressiven Hunden. Wenn ein Rudel tatsächlich gefährlich ist, sollten wir es einfangen und kastrieren. Die zahmen Tiere können freigelassen werden, während für die gefährlichen Hunde Lebensplätze gefunden werden sollten. Gelder für solche Projekte stehen zur Verfügung, erreichen jedoch oft nicht die gewünschten Ziele. Stattdessen werden die Gelder für sofortige Tötungen verwendet und der Rest verschwindet. Die Tötungen gehen weiter und weiter. Die Welt sollte wissen, dass, als ich gezwungen war, mit meinem Tierheim auf die Felder außerhalb der Stadt umzuziehen und noch keinen richtigen Zaun hatte, die meisten meiner Hunde getötet wurden. Fallen wurden aufgestellt, die Tiere kamen verletzt zurück, sie wurden vergiftet und erschossen. Man hat sogar auf mich geschossen. Ich hatte meinen Tieren versprochen, dass sie frisches Gras bekommen, doch sie wurden einfach ausgelöscht.

Interviewer: Als der Film über den Hund Bim mit dem weißen Ohr im Fernsehen lief, hat die ganze Nation geweint.

Svetlana: Ja, wir weinen gerne. Aber es geht darum, das Leid der Tiere wirklich zu verstehen und zu erkennen, dass alle Straßentiere genauso fühlen wie der Hund im Film. Diese Hunde werden wie Müll behandelt.

Interviewer: Finden wenigstens einige Hunde bei Ihnen in Russland ein Zuhause?

Svetlana: Gelegentlich werden Welpen aufgenommen, aber das ist selten. Wenn ich den Besitzern anbiete, eine kleine Gebühr zu zahlen, verstehen sie das nicht. Sie wissen nicht, dass ich dieses Geld sicherlich nicht für mich selbst nehme. Ich persönlich brauche nicht viel und bin zufrieden mit dem, was ich habe. Aber die Kosten für die Tiere sind enorm. Unsere derzeitige Unterbringungssituation bietet den Tieren kein angemessenes Leben. Mein Hauptziel ist es, in Hakassien eine große Kastrationsstation aufzubauen. Das ist derzeit meine Priorität.

Interviewer: Wir haben gehört, dass Sie demnächst Besuch aus Europa erwarten?

Svetlana: Ja, das sind alles Tierfreunde. Sie sind Menschen wie du und ich, aber sie leiden unter der Situation in Russland und sind sicher keine Oligarchen.

Interviewer: Also haben sie viel Mitgefühl?

Svetlana: Die Deutschen und Schweizer haben definitiv viel Mitgefühl. Sie kommen aus Kulturen, die bereits fortgeschritten sind und von denen wir lernen sollten. Ein erster Schritt könnte sein, die Stadt in Bezirke aufzuteilen, um die Tiere zu erfassen und zu kastrieren. Ich bin sicher, dass die Europäer uns bei der Kastration unterstützen würden, und die russische Regierung könnte bei der Fanghilfe helfen und gesetzliche Regelungen erlassen, um zu verhindern, dass kastrierte Tiere sofort wieder getötet werden.